Freihandelsabkommen TTIP

„Wurst des Wachstums ist nur eine leere Pelle“

Gewerkschaftssekretär stellt vor SPD-Ortsverein Halle kritische Positionen zum Freihandelsabkommen TTIP vor.

Der Referent sprach selbst von einer »Zumutung«, die er da mit seinem Vortrag über das geplante Freihandelsabkommen TTIP für die Genossen bereithalte. Das war durchaus in doppelter Bedeutung zu verstehen.

Denn in der Tat war es schwere Kost, die Hans-Werner Heißmann-Gladow für die Genossen bei der Veranstaltung des SPD-Ortsvereins im Gerry-Weber-Landhotel anbot. In gut einer Stunde stellte er über 60 Seiten einer Power-Point-Präsentation zu dem Projekt Transatlantic Trade and Investment Partnership (kurz TTIP) zwischen Europa und den USA vor. Die politische Botschaft des Abends jedoch war kurz und bündig: TTIP wird mit äußerstem Misstrauen betrachtet.

Hans-Werner Heißmann-Gladow ist SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Altenhagen, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall und Vorsitzender des DGB im Kreis Gütersloh. Er stellte überwiegend die Positionen der Gewerkschaften sowie eines SPD-Konvents zu dem Abkommen vor. Und die ist ausgesprochen kritisch bis ablehnend. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch in der vergangenen Woche davon sprach, dass die Freihandels-Verhandlungen mit den USA nun rasch abgeschlossen solle, halten die Gewerkschaften davon wenig, wie der Referent darlegte.

Heißmann-Gladow widersprach auch der Darstellung der Bundeskanzlerin, dass das Abkommen wichtig für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sei. Der Gewerkschafter legte Zahlen vor, wonach TTIP quasi nur im Promillebereich zusätzliche neue Arbeitsplätze durch Beseitigung von Handelshemmnissen schaffe. »Die Wurst des Wachstums ist nur eine leere Pelle«, sagte er wörtlich. Demgegenüber aber erhöhe die Beseitigung von Hürden den Wettbewerbsdruck und erziele negative Effekte bei den Arbeits- und Sozialstandards.

Der Referent streifte eine Menge Detailfragen von TTIP, die aber in der anschließenden Diskussion die offenbar schon vorher bestehenden Vorbehalte gegen das Abkommen in der SPD-Runde verstärkten.

Dazu gehörten zum Beispiel Absichten zur beiderseitigen Liberalisierung des Dienstleistungsbereiches, auch im kommunalen Bereich. Öffentliche Netze dürften wegen der allgemeinen Daseinsvorsorge gar nicht mehr privatisiert werdent. Auch einige grundlegende Regeln im US-amerikanischen Wirtschaftssystem werden von den deutschen Gewerkschaften abgelehnt, zum Beispiel das sogenannte Nachsorgeprinzip. Wie Heißmann-Gladow darstellte, ist in den USA ein Stoff grundsätzlich erlaubt bis eventuelle Schäden und Risiken bewiesen sind, nachsorgend also. In Deutschland und der EU hingegen gelte das Vorsorgeprinzip, wonach jedes Produkt im Vorhinein sehr oft geprüft werden müsse, bevor es auf den Markt kommen könne. Der Referent verwies beispielhaft auf den Fracking-Boom in den USA, der erst im Nachgang viele Umweltprobleme offenbart habe. Auch der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen habe in Bezig auf TTIP einige Bedenken in Bezug auf Medizinprodukte und Patientensicherheit. »Das ist einfach nicht unsere Kultur«, kommentierte Heißmann-Gladow das amerikanische Denken.

Der Referent wies weiter darauf hin, dass amerikanische Gewerkschaften das Freihandelsabkommen begrüßen würden: »Die sehen nämlich, dass in der EU die sozialen Standards für Beschäftigte höher sind als in den USA.«

Klar abgelehnt wird von Gewerkschaftsseite die insbesondere von großen Konzernen geforderte Regelung zum Investorenschutz, die große Unternehmen in die Lage brächten, Staaten vor internationalen Schiedskommissionen auf Milliardenbeträge zu verklagen.

Unterm Strich forderte der Referent hohe Wachsamkeit in Sachen TTIP. Heißmann-Gladow: »Wenn die USA nicht bereit sind, sich auf eine Kultur gelebter Mitbestimmung einzulassen, sollten wir zu einem solchen Freihandelsabkommen nicht ja sagen.«

Quelle: Westfalen-Blatt.de